Oh, wie schön ist Panama

Ein Gastbeitrag von Julian Mawick.


Der Wecker schreit. Adrenalin zerfetzt den Traum, reißt die schweren Lider auf und bekämpft den durchdringenden Schmerz in meinem Ohr. Ein nackter Fuß landet mitten im Gesicht und plötzlich springen 12 Kilo auf meinen Bauch. Und da sitzt du nun, mit Tränen im Pyjama und brüllst mir mit aller Kraft deine Wut entgegen. Es ist fünf Uhr morgens. Zwei aufgekratzte Seelen, die wach wurden.

Es ist kalt, die müden Knochen noch kälter und draußen regnet es. Doch du bist hellwach, möchtest spielen, forderst auf und willst getragen werden. Gleichzeitig bist du viel zu müde, schmeißt alles um und willst bloß nicht berührt werden. Bedürfnisse – für uns beide ein neues Feld. Ein kurzer Gedanke an frischen Kaffee und warme Brötchen. Doch er verflüchtigt sich sofort in dem frischen Geruch deiner warmen Windel.

Oh, wie schön ist Panama.

Heute bleibst du Zuhause, denn wir müssen zur Ärztin. Bereits das dritte Mal diese Woche. Erst gestern Abend waren wir in der Notaufnahme und du wurdest das erste Mal geröntgt. Daher bleib auch ich heute Zuhause und der Stapel wird mal wieder größer. Wir sitzen im Wartezimmer. Es ist voll, viel zu warm, die Kinder sind laut und die Luft ein einziger Husten. Der flüchtende Blick auf die verregnete Kreuzung schenkt keinen Trost. Den Trost bekommst vor allem du, denn wir waren zu spät und die Autoscheiben gefroren. Du wolltest so gern auf meinem Arm bleiben, aber ich musste kratzen. Die kalte Rückbank war dir ein mieser Freund und du hast die ganze Fahrt über geschrien. Zwei weitere Gründe zum Schreien liefert dir die Ärztin und rammt sie dir gleich bis zur Hälfte in deine kleinen Oberschenkel. Das Leben ist ein Hund und der Rest der Woche im Eimer.

Schlafentzug reißt tiefe Furchen unter Augen, aber auch zwischen die Synapsen. Denn was bleibt, sind nicht die Momente im emotionalen Dispo. Was bleibt, ist der Moment wieder Zuhause zu sein. Der Moment, als du dein Lieblingsbuch in beide Hände nimmst, auf mich zu gestolpert kommst und dich auf meinen Schoß setzt. Ich nehme dich in den Arm, rieche den süßen Geruch deiner Haare und lese: „Oh, wie schön ist Panama.“

© Julian Mawick